Heute ist das Jungfraujoch mein Ziel. Ich möchte aber nicht direkt mit der Bahn hinauf fahren, sondern steige an der Station Grindelwald Grund in die Seilbahn zum Berghaus Männlichen.
Ich freue mich auf die tolle Aussicht, aber schon nach wenigen hundert Höhenmetern verschwinde ich im Nebel.
Auch vom Aussichtspunkt am Männlichen aus ist nichts mehr zu sehen.
Die Orientierung fällt mir schwer. Ich gehe in die Richtung in der ich die kleine Scheidegg vermute und komme irgendwann vom Weg ab. Der Pfad dem ich gefolgt bin endet im Nichts. Ich steige über Wiesen mit dicken Felsbrocken ab und finde so nach einiger Zeit ein Hinweisschild, gerade als die Wolken wieder aufbrechen.
Die kleine Scheidegg ist der Bahnhof an dem die Züge aus Grindelwald und Lauterbrunnen ankommen, und wo man in die Jungfraubahn umsteigt. Ich möchte aber noch ein Stück weiter gehen und erst eine Station weiter oben einsteigen.
Ich gehe etwas unterhalb der Bahnlinie und beobachte die ohnmächtigen japanischen Touristen in den bergab fahrenden Zügen, denen der schnelle Druckanstieg nicht bekommen ist. Über mir lichten sich die Wolken und geben kurz den Blick auf die Eiger Nordwand und den Eigergletscher frei.
Bald erreiche ich die Station Eigergletscher, wo ich in die Bahn einsteige.
Der Zug fährt hier in den Tunnel ein, der sich in mehreren Serpentinen durch den Berg bis zum Jungfraujoch hinauf windet. Auf halber Strecke macht der Zug halt und man kann aussteigen, um durch ein Fenster hinaus auf die Eiger Nordwand zu schauen. Aber ich sehe nur graue Suppe. Bei guter Sicht hätte man von hier einen wunderbaren Blick auf Grindelwald.
Oben angekommen wird mir gleich schwindelig, denn die Luft ist dünn. Ich schaffe es aber noch ins Restaurant, wo ich meinen Kreislauf mit einer Tasse Kaffee in Schwung bringen will. Die Milch in der kleinen Dose spritzt mir entgegen als ich diese öffne, da hier oben der Luftdruck niedriger ist, als dort wo sie abgefüllt wurde. Irgendwann habe ich mich einigermaßen angepasst, kaufe eine Postkarte und stecke sie in den höchstgelegenen Briefkasten Europas oder sogar der Welt. Das Gehen fällt zwar noch etwas schwer, aber ich schaffe es aus der Bahnstation einen Schritt hinaus, gerade als die Wolken für einen ganz kurzen Moment aufreißen. Dann verschwindet wieder alles um mich herum in den Wolken.
Ich fahre mit dem Aufzug hinauf zum Sphinx-Observatorium und versuche von der Terrasse aus einen Blick ins Tal zu erhaschen, aber es bleibt zugezogen. Immerhin gesellt sich eine Alpendohle zu mir, die mir aus der Hand frisst.
Ich fahre wieder hinunter, finde einen anderen Ausgang auf den Aletschgletscher (wahrscheinlich der Sphinxstollen) und kann mich sogar ein Stück vom Jungfraujoch entfernen. Die Sphinx sieht von hier aus wie ein kleines Vogelnest.
Plötzlich reißen die Wolken wieder auf und der Gletscher liegt für kurze Zeit in seiner vollen Pracht vor mir.
Jetzt wird es aber wieder Zeit zurück zu gehen, denn es ist schon spät und ich muss den letzten Zug hinunter erwischen. An der kleinen Scheidegg ist die Sonne heraus gekommen. Endlich kann ich auch wenigstens einen Teil der Eiger Nordwand sehen und der Blick hinunter ins Tal ist frei.
Eigentlich wollte ich mit der Bahn bis Grindelwald fahren, aber das Wetter ist jetzt viel zu schön um im Zug zu sitzen. Also mache ich den Abstieg über die Almen und die Wälder zu Fuß und komme erschöpft, aber sehr zufrieden am Zelt an.