Der Lärm im Hostel beginnt um halb 8 Uhr, bis ich aufstehe versucht die Putzfrau zweimal die Tür aufzuschließen. Vor dem Frühstück gebe ich den Schlüssel und mein Gepäck bei den Herren in den weißen Kitteln ab, heute gibt es Brötchen, mir gegenüber erzählt eine Amerikanerin ihre Lebensgeschichte. „Sie müssen die Außentreppe nehmen und unten am Drehkreuz 2 Mark einwerfen.“ Ich sehe mir noch kurz das Model des Potsdamer Platzes an, aber ich kann mich nicht orientieren und steige aufs Dach.
„Ja, ich stehe gerne hier oben, hier verändert sich jeden Tag etwas, ich stehe natürlich lieber im kurzärmeligem Hemd da, aber es ist schön hier oben. Früher habe ich in Kreuzberg gewohnt, da war man am Ende der Welt als die Mauer noch da war, jetzt ist mehr Verkehr, aber das nimmt man ja gerne in kauf.“ Dem Wachmann fehlt ein Schneidezahn, er steht gerne hier oben, denn jeden Tag verändert sich was. Ob die Häuser da hinten schon vor der Wende gestanden haben und ob das da früher die Treuhand war weiß er nicht. Er steht gerne hier oben. Ich folge am Abgeordnetenhaus dem Rest der Mauer. Am Checkpoint Charlie ist die Straße gesperrt, eine riesige Baustelle.
Die Galerie Lafayette hat keine Fotoabteilung und keine Kunden, die Ladenpassagen sind noch leer, irgendwann könnte es hier einmal schön aussehen.
Auf dem Gendarmenmarkt steht genau vorm Schauspielhaus eine hässliche Bühne, so wird das nichts mit Fotos, an der Kasse des französischen Doms bin ich Schüler, mir wird die Zeit knapp, ich laufe den Turm hoch, einer der schönsten Ausblicke Berlins wird durch eine Brüstung versperrt, man muss auf Steinblöcke klettern um drüber sehen zu können.
Ich streiche den Weg nördlich der Friedrichstraße, laufe unter den Linden entlang, Klassizismus links und rechts, dann das Nikolaiviertel, hier wohnen Piefkes in verschnörkelten Plattenbauten, Gardinen aus der DDR-Zeit. Ein Dorf mitten in Berlin.
Der französische Dom hat viel Kraft gekostet, am Alexanderplatz setzte ich mich hin und esse Bananen. Ich frage einen Straßenkehrer wo denn die Karl-Marx-Allee ist. „Ich bin nicht von hier.“ sagt er mit berliner Akzent. Ich komme vorbei an gefliesten Streichholzschachteln.
Weiter hinten die Bauten der Stalinallee, Wohnungen für die Beamten der DDR.
Ich finde niemanden der hier wohnt und den ich fragen kann wie das so ist, der Weg wird mir lang. In der U-Bahn sitzen zwei die von einer Beerdigung kommen, ich laufe den im Reiseführer beschriebenen Weg über den Prenzlauer Berg.
Auch hier fehlt das Flair, nichts besonderes mehr, ich kaufe ein Eis. Um mich herum nur Sanierungsgebiete, nichts zu fotografieren, ich fahre zurück zum Alexanderplatz. Ich bin müde, finde kein Motiv mehr, dann fahre ich zum Zoo und laufe zurück zum Hostel. Es regnet heftig. Der Herr im weißen Kittel gibt mir meinen Rucksack.
Wieder am Zoo habe ich nur noch Durst und Hunger, laufe einmal zur Gedächtniskirche, eine Pizzazunge bitte, eine Dose Cola, im Bahnhof läuft ein EM-Nachruf auf Großbildschirm. Ich sitze ganz vorne im Zug, schlafe die erste Stunde auf den 3 Sitzen, in Magdeburg steigen 3 Männer ein die sich gegenseitig mit ihren Notebooks beeindrucken. An mir vorbei zieht die Mark Brandenburg, oder das was ich dafür halte.