Heute stiegen wir auf 9 Kilometern langsam die restlichen 700 Höhenmeter den Splügenpass hinauf. Ich kam zuerst an, wir machten eine Pause und schauten einem Kuhhirten zu, wie er seine ausgebrochenen Tiere aus Italien zurückholte. Dann ging es hinab zu einem Stausee, weiter unten kamen mehrere Tunnel die unbeleuchtet und meistens nicht geteert waren und einmal wäre ich beinahe wegen einem unerwarteten Schlagloch gestürzt. Wenn es eng wurde hupten die von unten kommenden Italiener wie verrückt, wir konnten uns aber nicht bemerkbar machen. Der erst Ort den wir in Italien erreichten war Campodolcino, wir kauften Brot und Käse und machten eine Rast. Das Straßenleben hier im Gegensatz zu der sterilen Schweiz hätte unterschiedlicher nicht sein können. Nun waren wir immer noch nicht unten. Uns kamen viele ältere Rennradfahrer entgegen, die wacker den Pass erklimmen wollten. Von dieser Seite war er eindeutig schwieriger zu erradeln. Wir machten noch einmal halt in einem kleinen Café und tranken draußen Espresso.
Die hier verlinkte Karte von Google-Maps zeigt einen ungefähren Überblick über die gefahrene Tagesetappe! (Externer Link)
In Chiavenna kamen wir dann endlich unten an und wir fuhren ganz bequem Richtung Comer See. Einmal verschwand die Straße in einem Tunnel und die Durchfahrt war für Fahrräder gesperrt. Wir wussten nicht mehr weiter, aber ein Mann wies uns den Weg von seinem Balkon aus. In Domaso fanden wir am See die Jugendherberge nicht. Wir fragten eine nette Italienerin, die uns mit strahlendem Gesicht den Weg wies. Wir bekamen gerade die letzten beiden freien Betten. Im Haus und in unserem Zimmer wohnte eine Jugendgruppe aus Deutschland, die hier zum Surfen lernen war. Sie versprachen uns, dass sie Nachts mit ihren Matratzen auf dem Balkon schlafen würden.
Der Laden wurde geführt von einer sehr patenten Südtirolerin und einem ziemlich bulligen Mann, der sich dadurch hervortat irgendwelche komischen Wetten mit hängendem Schinken mit den Gästen abzuschließen. Ich glaube es ging um die Schätzung des Gewichts. Nach jeder Wette, die jeweils mit einem großen Gejohle beendet wurde, kam er mit einer Hand voll Geld zu seiner Frau, der er die Scheine abgeben musste, und die es im Hinterzimmer in den Safe einschloss. An den Wänden hingen Bilder von ihm, wie er ein für die Gegend typisches Boot ruderte, und es waren Pokale aufgestellt, die er wahrscheinlich bei derartigen Regatten gewonnen hatte. Erst dachten wir warum hat die Frau einen solchen Mann, aber dann erkannten wir, dass der das Volk das hier und auf dem Campingplatz nebenan herum lief sehr gut unter Kontrolle hatte, es beschäftigte oder die ungebetenen Gäste fern hielt. Bei der Ankunft hatten wir gefragt wo wir unsere Fahrräder unterstellen könnten. Er sagte nur wir sollten sie neben den Eingang stellen und brauchten sie auch nicht abzuschließen. Ich denke, keiner der örtlichen Fahrraddiebe hätte auch nur gewagt daran zu denken etwas von seinem Grundstück zu stehlen.
Nach der anstrengenden Radtour begann jetzt das Dolce Vita. Mit uns waren noch zwei Jungs aus Bochum angekommen, mit denen wir uns anfreundeten. Die Jugendherberge hatte unten ein Restaurant in dem auch die Gäste des nahen Campingplatzes bewirtetet wurden. Es war ein warmer Abend, und wir setzten uns mit den Bochumern auf die Terrasse und aßen italienisch zu Abend. Über dem See zog ein Gewitter auf, wir sahen die Blitze immer näher kommen und gingen vorsichtshalber schon mal unter den Balkon. Dort saßen wir auch ganz gemütlich bei einem Amaretto als es schon zu regnen begann, aber dann wurden wir auch von dort durch eine starke Windböe vertrieben, die den Regen unter das Vordach wehte.
Alle flüchteten in die Gasträume, das Gewitter wurde immer heftiger, der Donner lauter und plötzlich ging das Licht aus. Die Bedienung stellte Kerzen auf, verteilte Amaretto und die Italiener fingen an zu singen. Der Blitz war in eine Trafostation eingeschlagen, wie man uns später erzählte. Es war dann gar nicht so einfach das Bett wiederzufinden, auch weil wir alle persönlichen Sachen, mit denen wir sie hätten kennzeichnen können, in Schließfächern hatten und die Jugendgruppe konnte bei Regen natürlich nicht auf dem Balkon schlafen.