Von Ronneby bis Holgersonland

Ich war gerade eingeschlafen als ein Gepolter im Haus los ging. Es kamen einige Leute zurück, aber nicht auf einmal, sondern einzeln nacheinander über einen langen Zeitraum. Sie liefen Trepp auf Trepp ab, die Klospülung ging andauern und das Fallrohr führte unisoliert genau an meinem Bett vorbei. Zu guter Letzt unterhielten sich meine Nachbarn sehr lange so laut, dass ich nicht einschlafen konnte. Zwischen den Zimmern waren nur einfache Bretterwände.

Um 8 Uhr stand ich auf, fragte nach Frühstück und bekam noch welches. Ich kaufte an der Rezeption zwei Postkarten, schrieb was drauf und packte. Gegen die Sonne band ich mir wieder mein Tuch auf den Kopf. Ich radelte ungefähr so aus der Stadt wie ich gestern hinein gekommen war, fand auch bald die richtige Abzweigung um nicht auf die Autobahn zu kommen und fuhr über alle Hügel mit ungutem Gefühl in den Beinen. Ich kam gar nicht gut vom Fleck. Das änderte sich, als ich auf die Europastraße zurück kam, die hier keine Autobahn mehr war. Ich dachte mir: gib Gas, das motiviert Dich vielleicht. In Schweden ist auch auf den großen Straßen wenig Verkehr. So ging es sehr gut voran, bis ich plötzlich wieder abfahren musste. Ich war kurz vor Karlskrona, als auch die Wege entlang der Autobahn nicht mehr weiterführten. Ich fuhr hin und her und entschied mich ins Zentrum zu fahren, weil das ausgeschildert war. Aber selbst das war nicht einfach.

Die hier verlinkte Karte von Google-Maps zeigt einen ungefähren Überblick über die gefahrene Tagesetappe! (Externer Link)

Ich fragte einen Mann der Müll aufsammelte nach dem Weg. Kurz darauf kaufte ich an einem Kiosk Cola und setzte mich hin um die beim Frühstück geschmierten Brote zu essen. Beim Blick auf die Karte kam mir der Verdacht, ich sei ganz woanders als ich gedacht hatte. Ich fragte einen Passanten, aber der meinte ich solle weiter Richtung Zentrum fahren. Ich fand den Weg erst mal wieder nicht und fragte ein junges Paar, endlich sprach mal jemand deutsch, und die meinten um aus der Stadt rauszukommen müsse ich nach Lykeby. Dabei verlor ich wieder die Orientierung, ich war fast am verzweifeln, fuhr einfach weiter und fragte 3 Krankenschwestern, die auch nicht bescheid wussten und meinten Richtung Lykeby. Ich merkte, dass ich die gleiche Stecke zurückfuhr, die ich gekommen war, aber da war doch nichts gewesen. Ich wurde sauer. Und kein Schild, dass nach Lykeby zeigte. Ich nahm einfach irgendeinen Weg, die letzte Möglichkeit und siehe da, es war richtig. Ich fragte noch einen Mann und der meinte: immer gerade aus. Ich kam wieder auf die Europastraße und sauste über Ramdala nach Jämjö, das ging ziemlich schnell. Eigentlich wollte ich nur nach der Abzweigung nach Klakebäck fragen, denn ich wollte runter von der Hauptstraße, entschied mich aber in einer Cafeteria ein halbes Hähnchen mit viel Kartoffeln und Gemüse zu essen.
So bekam ich die Kraft wieder, die ich in Karlskrona verloren hatte. Es war inzwischen nach 13 Uhr, die ganze Sucherei in Karlskrona hatte mich über eine Stunde gekostet. In Jamjö tauchte endlich mal wieder ein Schild des Radweges auf, ich fragte eine alte Dame die in ihrem Vorgarten arbeitete ob das wirklich die Richtung nach Klakebäck sei.

Soviel ich verstand gab es ein Stück weiter noch eine Abzweigung, egal wie ich weiter fahren würde, beide führten zum Ziel. Ich fuhr weiter und obwohl die Straße von Klakebäck an fast direkt am Wasser entlang führte sah man davon nichts. Der Wald ging bis an die Wasserkante und versperrte die Sicht. In Kristianopel fuhr ich bis in den Hafen. Dort war aber nichts los. Wie eigentlich überall. Den ganzen Tag war es bedeckt gewesen und ein bisschen diesig, kein gutes Fotowetter, aber gut für den Sonnenbrand. Ich kaufte ein Mars und fuhr weiter.

So langsam versagten mir die Kräfte, ein Schild wies Kalmar mit 55 Kilometer aus, ich war bereits 85 gefahren. Kurz bevor ich zurück auf die Europastraße kam schaute ich noch mal auf die Karte. Als ich hoch sah entdeckte ich eine einzelne dunkle Wolke über mir und es fing an zu regnen. Plötzlich hatte ich wieder Kraft und radelte was da Zeug hielt. Ich entkam dem Regen, kam klasse voran und rechnete mir aus wie lange ich bei dem Tempo bis Kalmar brauchte. Das waren immerhin noch 2 Stunden. Ich radelte und radelte, sah dabei mehr auf den Boden als in die Gegend bis mir die Kraft völlig weg blieb. Es war warm, ich zog die Jacke aus und kaufte an der nächsten Tankstelle eine Cola und machte Pause. Dann ließ ich es langsam wieder angehen. Ich war gerade wieder in Schwung als ich auf einem Schild Vandrehjem geschrieben sah. Ich bog ab, fragte mich durch und fand einen großen Hof wo sich keiner aufs Klingeln meldete.

Ich sah durch den Gastraum, dass die Tür auf der anderen Seite auf war, ging ums Haus herum und rief Hallo. Eine Frau gab mir ein Zimmer, obwohl das Heim, so wie sie sagte eigentlich noch nicht für die Saison geöffnet hatte. Ich duschte und ruhte mich kurz aus, bevor ich mir ein bisschen die Gegend ansah. Dann setzte ich mich auf die Veranda mit Blick aufs Meer.

Blick von der Veranda

Es war wunderschön. Die Graugänse quakten da draußen auf dem flachen Wasser der Bucht, aber man konnte sie nicht sehen. Später erzählte mir die Frau, dass die Gegend „Nils Holgerson Land“ genannt wurde, weil die Gänse hier immer ein paar Tage Rast machten, bevor sie weiter nach Norden flogen.

Bucht der rastenden Graugänse

Ich kaufte mir an der Rezeption ein Eis, blieb ein bisschen sitzen, ging ein wenig spazieren und fragte bei der Rückkehr die Frau, ob ich was zu Abendessen haben könnte. Ich bekam 2 Brötchen mit Käse und ein Glas Milch. Ich ging wieder ans Wasser, baute Boote aus Rinde mit Federn als Segel und bewarf sie mit Steinen bis sie untergingen, wenn sie sich weit genug vom Ufer entfernt hatten. Gegen 20 Uhr ging ich aufs Zimmer, träumte noch etwas vor mich hin, schrieb Tagebuch und las in meinem Buch. Meine Nase fühlte sich an, als bekäme ich ordentlich Schnupfen. Bin heute 119 Kilometer gefahren.

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